Ein wichtiger Bestandteil aller Religionen ist das Meiden der Sünden, speziell der großen von ihnen. Jeder Mensch kennt das Konzept von Falsch und Richtig und möglicherweise auch einige Beispiele aus dem Islam oder aus anderen Religionen. Doch nicht jedes Verständnis für Sünde stimmt mit dem des Islams überein. Der vorliegende Artikel definiert den Begriff aus islamischer Sicht, erläutert die verschiedenen Arten der Sünde und zählt anschließend einige Beispiele für große Sünden im Islam auf.
Die Sünde im Islam
Ein jeder Mensch lebt in erster Linie dafür, seinem Schöpfer zu dienen und ihn anzubeten. Ebenso verhält es sich mit den Dschinn, die andere Geschöpfe Allahs sind, welche die Menschen jedoch nicht sehen können. Allah sagt im Koran:
„Und ich habe die Dschinn und die Menschen nur (dazu) erschaffen, damit sie Mir dienen“ [Koran 51:56].
Diese Dienerschaft besteht aus zwei Aspekten: Dem Ausführen der Befehle Allahs und dem Meiden derjenigen Dinge, die Er verboten hat. Eine Sünde liegt dann vor, wenn einer dieser Aspekte verletzt wird, indem man Allah gegenüber ungehorsam ist. Somit ist es eine Sünde, die Befehle Allahs absichtlich nicht auszuführen, also zu verweigern. Ein Beispiel für ein solches Verhalten findet sich in der Geschichte des Teufels. Allah, der Erhabene, sagt:
„Und als Wir zu den Engeln sagten: „Werft euch vor Adam nieder!“ Da warfen sie sich nieder, außer Iblis. Er weigerte sich und verhielt sich hochmütig und gehörte zu den Ungläubigen.“ [Koran 2: 34]
In diesem Koranvers beschreibt Allah, wie Er befahl, dass sich die Engel und der Dschinn Iblis vor der neuen Schöpfung, dem Menschen, niederwerfen sollten. Die Engel, welche keinen Befehl Allahs verweigern können, kamen dem nach. Doch Iblis weigerte sich. Dies war der Grund, warum er von Allah verstoßen wurde und sich zu dem entwickelte, was er noch heute ist: Der Teufel [Koran 7: 13-18].
Es ist auch eine Sünde, ein Verbot Allahs zu missachten. Ein Beispiel dafür ist es, Alkohol zu trinken, obwohl man weiß, dass Allah sagte:
„O die ihr glaubt, berauschender Trank, Glücksspiel, Opfersteine und Lospfeile sind nur ein Gräuel vom Werk des Satans. So meidet ihn, auf dass es euch wohl ergehen möge!“ [Koran 5: 90]
Daher reicht es im Islam auch nicht aus, lediglich die Pflichten zu erfüllen, während man über die Verbote nicht Bescheid weiß. Es gehört zu den Pflichten der Muslime, sich Wissen anzueignen, um Sünden, die durch Unwissenheit begangen werden, zu vermeiden. Einer der Gefährten des Propheten, Friede sei mit ihm, Hudhaifa b. al-Yaman, sagte darüber: „Die Menschen pflegten den Gesandten Allahs, Friede sei mit ihm, nach dem Guten zu fragen, ich aber pflegte ihn nach dem Bösen zu fragen, aus Furcht, es könnte mich überkommen“ [Sahih al-Bukhari]. Diese Überlieferung zeigt die Wichtigkeit auf, auch über unerfreuliche Aspekte des Islams, zu denen Sünden zweifelsohne gehören, informiert zu sein. Nur so ist es möglich, Allah gebührend anzubeten, denn zur Anbetung gehört sowohl das Verrichten guter Taten, als auch das bewusste Unterlassen der Sünden.
Arten der Sünde
Große und kleine Sünden
Allgemein gibt es eine Aufteilung der Sünden in die großen und die kleinen Vergehen. Hier ist es jedoch wichtig, auch die kleinen Sünden nicht zu unterschätzen. Sammeln sich diese, so besteht die Gefahr, dass sie sehr viele werden und schwerer wiegen als eine große Sünde, die möglicherweise noch entsprechend bereut wurde. Um auch den kleinen Sünden gebührenden Respekt entgegen zu bringen, empfiehlt es sich, nicht auf den Grad einer Sünde zu achten. Stattdessen sollte man sich immer bewusst sein, dass jede Art der Sünde Ungehorsam Allah gegenüber darstellt und daher unbedingt zu vermeiden ist.
Der Unterschied zwischen den großen und den kleinen Sünden besteht darin, dass eine große Sünde schwerwiegender ist als eine kleine. Begeht ein Geschöpf eine solches Vergehen, ohne zu bereuen, erwartet es eine strenge Strafe.
Während die kleinen Sünden in den Offenbarungstexten nicht definiert werden, kann man die großen Sünden durch ihre Beschreibungen erkennen. Im Koran und in den prophetischen Überlieferungen werden diese oft von einer speziellen Warnung begleitet. So heißt es etwa über die Menschen, die an Zauberei und an falsche Götter glauben: „Das sind diejenigen, die Allah verflucht hat; und wen Allah verflucht, für den wirst du keinen Helfer finden“ [Koran 4: 51-52]. Der Fluch Allahs trifft eine Person auch aufgrund einiger anderen großen Sünden, wie es aus Koran und Sunnah zu entnehmen ist. Ein weiteres Merkmal dafür, dass eine Sünde zu den großen gehört, ist, dass dem Sünder die Zugehörigkeit zur muslimischen Gemeinschaft abgesprochen wird. Ein Beispiel dafür ist die Überlieferung des Propheten, Friede sei mit ihm, in der er sagt: „Wer uns betrügt, gehört nicht zu uns“ [Sahih Muslim]. Und schließlich kann es auch sein, dass eine Sünde in den Offenbarungsquellen als Anzeichen für einen unvollständigen Glauben genannt wird. So gibt es einige Überlieferungen, die mit den Worten „Keiner von euch wird gläubig sein, wenn […]“ beginnen, etwa: „Keiner von euch wird gläubig sein, bevor er für seinen (muslimischen) Bruder dasselbe wünscht wie für sich selbst“ [Sahih al-Bukhari]. Dies ist ein Anzeichen, dass der Neid und die Missgunst anderen gegenüber zu den großen Sünden gehört.
Findet man diese oder auch ähnliche Formulierungen in Bezug auf eine Sünde, so bedeutet dies, dass sie zu den großen gehört und damit besonders gefährlich ist. Weitere Beispiele für solche sind das Unterlassen des Gebets, das Töten unschuldiger Menschen, Diebstahl und Zinsgeschäfte, das Ignorieren der Verwandten und ihrer Rechte und der Geschlechtsverkehr mit einem anderen als dem Ehepartner.
Das Bereuen einer Sünde
Begeht man eine Sünde, so kann die aufrichtige Reue sie komplett auslöschen. Dies gilt sowohl für die großen, als auch für die kleinen Sünden, wobei die Reue für die großen Sünden noch wichtiger ist. Das Bereuen einer Sünde erfolgt in vier Schritten. Zunächst ist es wichtig, die Sünde sofort zu unterlassen, wenn man sich dabei erwischt. Es ist ein typischer Fehler, davon auszugehen, dass es bereits zu spät für Reue ist oder dass man durch die Sünde zu einem schlechten Muslim wurde. Dies sind die Versuche des Teufels, einen Menschen von der Reue abzuhalten und ihn zum Aufgeben zu bringen. Anschließend sollte man aufrichtig vor Allah bereuen. Die Aufrichtigkeit im Bedauern einer Sünde zeigt sich darin, dass man sich für seinen Ungehorsam Allah gegenüber schämt und sich fest vornimmt, die Sünde nie wieder zu begehen. Letzteres stellt den dritten Schritt des Bereuens dar. Dies wiederholt man immer wieder, im Fall, dass man die Sünde nicht komplett aufgeben kann. Das Wichtige ist, dass man im Moment der Reue ehrlich daran arbeitet, nicht mehr in die selbe Sünde zurückzufallen.
Im Fall, dass die begangene Sünde neben dem Recht des Schöpfers auch das Recht einer anderen Person verletzt hat, muss als vierter Schritt das Recht des anderen zurückgegeben werden. Das bedeutet etwa, dass bei einem Diebstahl neben dem Bereuen vor Allah auch dem Geschädigten sein Gut zurückgegeben werden muss.
Die schlimmste Sünde im Islam: Schirk
Spricht man über große Sünden im Islam, so muss eine ganz besondere zuerst genannt werden: Schirk. Das Wort stammt aus dem Arabischen und bedeutet wörtlich „Beigesellen“, also das Gleichmachen zweier Dinge, indem man sie auf eine gemeinsame Ebene setzt. Nutzt man den Begriff im islamischen Kontext, so ergibt sich die Bedeutung, dass Allah etwas angeglichen oder beigesellt wird.
Bedeutung von Schirk
Allah ist der alleinige Schöpfer von allem, was existiert. Es ist bereits Schirk, zu behaupten, dass es neben Ihm andere Schöpfer gäbe, denn Allah sagt selbst im Koran:
„Wenn es in ihnen beiden (dem Himmel und der Erde) andere Götter als Allah gäbe, gerieten sie (beide) wahrlich ins Verderben. Preis sei Allah, dem Herrn des Thrones! (Erhaben ist Er) über das, was sie (Ihm) zuschreiben.“ [Koran 21:22]
Das Argument, dass im Universum Chaos herrschen würde, gäbe es mehr als Einen, der darüber bestimmt, kann man am besten anhand des Beispiels eines Unternehmens verstehen. Jeder Sektor und jede Abteilung verfügt über bestimmte Experten, die dafür verantwortlich sind. Dennoch gibt es eine Leitung, die über das gesamte Unternehmen Bescheid weiß und fähig ist, darüber zu verfügen. Gäbe es jedoch mehrere verschiedene Leitungen oder Chefetagen, so würden diese miteinander konkurrieren, was schließlich das gesamte Unternehmen ins Verderben stürzen würde.
Doch nicht nur die Eigenschaft des Schöpfens gehört Allah alleinig. Es fällt auch unter Schirk, wenn man einen Akt der Anbetung anderen als Allah widmet. Im Islam werden weder Propheten, noch Engel, Heilige oder besonders religiöse Persönlichkeiten, vergöttert oder angebetet. Engel sind Lebewesen, welche keinerlei göttlichen Eigenschaften besitzen. Propheten und rechtschaffene Persönlichkeiten sind lediglich gewöhnliche Menschen, denen im Leben eine bestimmte Rolle gegeben wurde. Sie können als Vorbild fungieren, unterscheiden sich ansonsten jedoch nicht von anderen Menschen und dürfen nicht angebetet werden. Es ist nur logisch, dass auch Statuen und Gräber oder andere besondere Orte nicht der Anbetung würdig sind.
Die Gewaltigkeit dieser Sünde
Im Islam ist der Schirk die gewaltigste und schlimmste Sünde, die ein Mensch oder Dschinn begehen kann. Es ist eine große Ungerechtigkeit, dem Schöpfer andere zur Seite zu stellen, wo Er es ist, dem man jegliche Gabe zu verdanken hat. Daher ist Schirk auch die einzige Sünde, die Allah niemals vergeben wird, wenn man sie nicht beizeiten bereut:
„Allah vergibt gewiss nicht, dass man Ihm (etwas) beigesellt. Doch was außer diesem ist, vergibt Er, wem Er will. Wer Allah (etwas) beigesellt, der hat fürwahr eine gewaltige Sünde ersonnen.“ [Koran 4: 48]
Sollte man in die Sünde des Schirks fallen, jedoch vor dem Tod bereuen und zu Allah zurückkehren, so wird Er die Reue annehmen. Dies gilt für jede einzelne Sünde, vorausgesetzt, die Reue ist aufrichtig. Egal, wie häufig ein Mensch in dieselbe Sünde verfällt, so lange er danach bereut, wird Allah diese Reue immer wieder annehmen. Auch wenn er vor der Reue stirbt, hat ein Sünder die Hoffnung auf die Barmherzigkeit Allahs. Doch dies gilt nicht für denjenigen, der die gewaltige Sünde des Schirks begeht. Stirbt dieser, ohne zu bereuen, so hat Allah ihm das Paradies verboten und er wird ins Höllenfeuer eingehen [Koran 5: 72]. Dies bedeutet, dass alle guten Taten, die ein Mensch möglicherweise im Leben verrichtete, nutzlos sind, wenn er daneben Schirk begeht.
Aufgrund der Schwere dieser Sünde warnte jeder Gesandte Allahs sein jeweiliges Volk vor ihr:
„Und Wir haben ja bereits in jeder Gemeinschaft einen Gesandten erweckt: „Dient Allah und meidet die falschen Götter.“ [Koran 16: 36]
So zeigt sich auch in den Geschichten der vergangenen Völker, dass diese oftmals zwar an Allah als Schöpfer glaubten, jedoch andere Götter neben Ihm anbeteten, was ihren Glauben zunichtemachte.
Das Unrecht gegenüber den Eltern
Eine weitere, sehr schwerwiegende Sünde stellt das Unrecht gegenüber den eigenen Eltern dar. Allah gab den Eltern, sowohl der Mutter als auch dem Vater, eine besonders hohe Stellung. Es gehört zu den besten Taten im Islam, die Eltern gut zu behandeln, seien diese nun Muslime oder nicht. So wurde der Prophet, Friede sei mit ihm, gefragt, wer von den Menschen am ehesten eine gute Behandlung verdient. Daraufhin sagte er: „Deine Mutter, dann wieder deine Mutter, dann wieder deine Mutter, dann dein Vater, und dann deine nahen Verwandten gemäß ihrem Grad der Verwandtschaft“ [Sahih Muslim]. Umgekehrt ist es eine der größten Sünden, die Eltern schlecht zu behandeln, was in der heutigen Zeit jedoch zur Normalität gehört. Dies macht die Sünde nicht weniger gewichtig. Meist opfern die Eltern ihr gesamtes Leben und ihre Freizeit, um ihren Kindern das bestmögliche Leben zu ermöglichen. Daher ist die Respektlosigkeit ihnen gegenüber sehr undankbar und darüber hinaus gegen die Gebote Allahs. Er, der Erhabene, sagte dazu:
„Und wir haben dem Menschen anbefohlen, seine Eltern mit Güte zu behandeln […]“ [Koran 29: 8]
In einem anderen Vers wird dies noch näher ausgeführt. In Sure Luqman folgt der Aufruf, den Eltern Güte zu zeigen, direkt nach dem Aufruf, Allah dankbar zu sein:
„Und Wir haben dem Menschen seine Eltern anbefohlen- seine Mutter hat ihn unter wiederholter Schwäche getragen, und seine Entwöhnung (erfolgt) innerhalb von zwei Jahren-: „Sei Mir und deinen Eltern dankbar. Zu Mir ist der Ausgang.“ [Koran 31: 14]
Dieser Vers zeigt einige Gründe dafür, warum die Dankbarkeit gegenüber den Eltern einen solch hohen Stellenwert hat. Genannt wird die Erschwernis, die eine Schwangerschaft und das Versorgen eines Kleinkindes mit sich bringt. Da dies für alle Eltern ungeachtet ihrer Religion gilt, ist im folgenden Vers zu lesen:
„Wenn sie sich aber darum bemühen, dass du Mir das beigesellst, wovon du kein Wissen hast, dann gehorche ihnen nicht, doch geh mit ihnen im Diesseits in rechtlicher Weise um.“ [Koran 31: 15]
Selbst wenn die Eltern eines Muslims ihn zum Schirk aufrufen, was die schlimmste Sünde im Islam ist, ist dies keine Rechtfertigung dafür, sie schlecht zu behandeln. Vielmehr darf man ihnen darin zwar nicht gehorchen, sollte aber in allen Aspekten des weltlichen Lebens gut mit ihnen umgehen und sie glücklich machen.
Fazit
Der Koran und auch die Sunnah belehren die Muslime über die Gebote und Verbote Allahs, welche zu missachten eine Sünde darstellt, für die sich der Sündiger am Tag des Gerichts zu verantworten hat. Besonders kritisch sind die großen Sünden, die in den Offenbarungstexten mit speziellen Warnungen und Androhungen verbunden sind. Die Nebengötterei ist dabei die schlimmste aller Sünden und die einzige, die von Allah ohne Reue niemals verziehen wird. Doch auch bei allen anderen Sünden ist es notwendig, sie aufrichtig zu bereuen, so dass sie kein Teil der Abrechnung im Jenseits werden. Nach der Reue sollte der Muslim auf die Barmherzigkeit seines Schöpfers hoffen, welche im nächsten Artikel ausführlicher behandelt werden soll.